
Tollkühne Wikinger machen zwei Wochen die Ems unsicher
Tollkühn und voller Tatendrang: Kapitän Dr. Karlo Osthues, Franjo Eilinghoff und Schiffsbaumeister Karl-Heinz Köster (von rechts) am Bug ihres Drachenbootes vor dem Trockendock. Das kleine Bild zeigt ein typisches Wikingerschiff, wie es Textilkünstler aus Nordfrankreich auf dem berühmten Wandteppich von Bayeux im 11. Jahrhundert dargestellt haben. Fotos: Holger Jansing
Tour bis Papenburg im nachgebauten Drachenboot
Sie galten als die besten Schiffsbauer ihrer Zeit und erzielten damit über Jahrhunderte hinweg Wohlstand, Macht und Ruhm. Nun haben 16 „starke Männer“ aus dem westfälischen Rheine die Tradition der alten Wikinger wiederaufleben lassen. Seit Januar bauen sie ein typisches Drachenboot, das den nordischen Seefahrern einst diente. Gestern erfolgte der Stapellauf für eine zweiwöchige Reise entlang der Ems bis nach Papenburg.
Diese modernen Wikinger sind Mitglieder des Vereins „Emssaga“, der sich seit 16 Jahren der „Förderung der historischen Emsschifffahrt“ widmet. Das Drachenboot ist bereits das dritte Projekt des Vereins. 1983 unternahmen die Flusspioniere mit einem 14 Meter langen Floß, das aus acht massiven Baumstämmen bestand, eine Reise, und vor fünf Jahren sorgte der Nachbau einer „Harener Pünte“ für Aufsehen. Diese Schiffe transportierten früher Getreide und Kies auf der Ems.
Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung fiel die Wahl der Wikinger schnell auf das Drachenboot. „Vor 1000 Jahren haben die Wikinger bestimmt auch die Ems befahren“, ist Kapitän Dr. Karlo Osthues überzeugt. Tatsächlich sorgten die nordischen Seefahrer zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert nicht nur an den Küsten für Furcht und Schrecken, sondern ruderten auch auf allen Flüssen, die sie vom Meer aus erreichen konnten. Dank des flachen Tiefgangs ihrer hochseetauglichen Landungsboote war dies problemlos möglich.
Für die Rekonstruktion des Wikingerschiffs stützten sich die Bootsbauer auf ein Wrack aus dem dänischen Roskildefjord sowie auf zeitgenössische Darstellungen, wie den berühmten Wandteppich von Bayeux aus dem 11. Jahrhundert. Nachdem das Wikingermuseum in Schleswig seine Konstruktionspläne bereitgestellt hatte, machten sich die Rheiner an die Arbeit. Sie merkten jedoch bald, dass sie einige Kompromisse eingehen mussten.
Ein exakter Nachbau mit den originalen Materialien und Werkzeugen der Wikinger wäre zu aufwändig gewesen, erklärt Schiffsbaumeister Karl-Heinz Köster. Dies hätte Jahre gedauert. Daher entschieden sich die Vereinsmitglieder, moderne Schrauben und Nieten statt der traditionellen Metallsplinte zu verwenden und eine Kreissäge anstelle der damaligen Spaltäxte. Dennoch war es ihnen wichtig, dass das Schiff optisch authentisch bleibt.
Für den Bau des Drachenbootes wurde eine ausgediente Fahrzeughalle auf dem Gelände der Damloup-Kaserne, einige Kilometer von der Ems entfernt, zur Werft umfunktioniert. Hier verbrachte das 18 Meter lange Drachenboot stolze vier Monate im Trockendock. Jeden Samstag und später auch an mehreren Abenden traf sich die Crew zum Bau. Insgesamt investierten sie über 3000 Stunden Arbeit und etwa 70.000 DM in ihr Wikingerschiff.
Die Konstruktion des Rumpfs begann mit einem Kiel, auf dem die Spanten befestigt wurden. Besonders knifflig waren die Rundungen von Heck und Bug. Um die Bretter der frisch geschlagenen Eichen biegsam zu machen, ließen die Bootsbauer sie in einem großen Wasserbecken einweichen. Jede der rund 1000 Planken musste präzise zugeschnitten und angepasst werden. Der Rumpf wurde mit zähflüssigem Bitumen bestrichen, um ihn wasserdicht zu machen, genau wie es die Wikinger damals taten. Zudem verwendeten sie Kiefernwurzeln und Frauenhaare, die mit Teer getränkt wurden, um die Fugen zwischen den Brettern abzudichten.
Franz Dornekott aus Rheine schnitzte einen Drachenkopf, der nun am Bug des Bootes prangt. Dieser Kopf erinnert an die kunstvollen Verzierungen der Adelsschiffe der Wikinger. Der Mast misst acht Meter und ist umlegbar, das 36 Quadratmeter große Rahsegel ist aus grobmaschigem Hanfstoff gefertigt. Die 16-köpfige Crew wird das Segel nur bei mildem Wind hissen, andernfalls werden sie wie ihre Vorfahren kräftig in die Riemen greifen müssen.
Das Drachenboot wurde in den traditionellen Farben Schwarz-Rot-Gold gestrichen, um das Erbe der alten Wikinger zu ehren. Auf ihrer Reise möchten die Rheiner allerdings nicht auf alle Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation verzichten: Unter dem Sitz des Steuermanns befindet sich eine einfache Toilette, und eine große Plane schützt die Crew vor Regen. „Die echten Wikinger hätten so etwas nie gehabt“, meint Franjo Eilinghoff, Presseoffizier der Crew. Für das Kochen sorgt ein offenes Feuer.
Nach der Reise nach Papenburg wird das Drachenboot für eine besondere Veranstaltung genutzt: Es wird während der Eröffnungszeremonie der Ruder-Weltmeisterschaft in Köln zum Einsatz kommen. Der Bundespräsident wird die Wettkämpfe voraussichtlich vom Drachenboot aus eröffnen. Sicherheitskräfte des Organisationskomitees haben das Boot bereits auf seine Stabilität geprüft. Kapitän Karlo Osthues ist überzeugt: „Es trägt problemlos 50 bis 60 Personen und wird nicht kentern.“
Wikingerschiff auf der Fahrt nach Papenburg
Am Dienstagnachmittag versammelten sich mehrere hundert Salzbergener am Ufer der Ems, um das Eintreffen des Wikingerschiffes „Emssaga III“ zu erleben. Das Nachbau des historischen Drachenbootes aus der Wikingerzeit, gesteuert von Kapitän Dr. Karlo Osthues und seiner Crew, wurde von einem „Späher“ auf der Emsbrücke entdeckt. Das Boot erreichte jedoch zu früh den Zielhafen, sodass die Crew eine kleine Schleife auf der Ems drehte, bevor sie zum Anlegen kam. Bürgermeisterin Anni Brinker und Gemeindedirektor Karl-Heinz Mäteling hießen die Gäste willkommen, und es wurden Geschenke als Zeichen der Friedfertigkeit ausgetauscht.
Zur Begrüßung war auch die Freiwillige Feuerwehr mit einer alten Handdruckspritze vor Ort. Die Besatzung des Wikingerschiffs berichtete, dass sie das Boot in über 3000 Stunden selbst gebaut hatte, basierend auf einem Fund aus dem Jahr 1956 nahe der dänischen Küste. Für das leibliche Wohl der Besucher sorgte die Kolpingfamilie Salzbergen, und musikalisch wurde das Event von den „Steider Heidemusikanten“ begleitet. Das Drachenboot wird am 14. August an der Papenburger Meyer-Werft erwartet.
Kein Komfort – aber dafür Nostalgie
Luxus sucht man auf diesem Schiff vergeblich. Es ist ja auch ein Wikingerschiff und kein Vergnügungsdampfer.
3.000 Arbeitsstunden hatten die Mitglieder des Vereins „emssaga“ in den Bau ihres Drachenbootes „emssaga III“ gesteckt. Zwei Hilfsmotoren zum Manövrieren hatte die Wasserschutzpolizei verlangt, sonst entsprach das Boot genau seinen historischen Vorbildern. Fast genau, denn hoch oben am Mast war auch der Friedensreiter mit dabei. Rolinck hatte die Fahrt der „emssaga III“ unterstützt.
Start für die Wikingertour war Emsdetten. In allen Häfen wurde die Besatzung bedeutend freundlicher empfangen als ihre Vorfahren vor 1.100 Jahren. Die hatten damals nämlich die Gegend mit ihren Raubzügen heimgesucht. Diesmal wurden sie mit Met, Musik, Friedensreiter Bräu und „Wikinger-Korn“ begrüßt, und 20.000 Besucher konnten die „emssaga III“ erleben. Die Crew, die aus Ärzten, Handwerkern und sogar Piloten bestand, mußte für die große Tour erst lernen, wie man ein 18 Meter langes und 7,2 Tonnen schweres Boot mit 16 Rudern und nur mit Hilfsmotoren fortbewegt. Aber die modernen „Wikinger“ meisterten sogar die Schleusendurchfahrt bei Rheine. In Emsdetten war die Reise für die Wikinger zu Ende, aber ihr Boot segelte weiter. Der Düsseldorfer Ruderclub brachte es nach Köln. Dort eröffnete Bundespräsident Roman Herzog an Bord des Wikingerschiffs die Ruderweltmeisterschaften.
Kulturpflege
Am 04. August 1998 legte in Salzbergen das Wikingerschiff emssaga an. Es handelt sich um einen 18 m langen Nachbau des Roskildeschiffes, daß 1956 in Dänemark geborgen wurde. Gebaut wurde es von Mitgliedern des „Vereins zur Förderung der historischen Emsschifffahrt e. V.“ aus Rheine. Die Ankunft wurde zu einem kleinen Volksfest unter Beteiligung von Mitgliedern des Feuerwehrmuseumsvereins Salzbergen e. V.. Diese zwangen das Schiff mit einem „Schuß vor den Bug“ aus einer historischen Handdruckspritze zu einem Halt am Emsanleger. Durch die begleitende Musik der bekannten Heidemusikanten aus Steide wurde die erfolgreiche Veranstaltung unterstützt. Die Kolpingfamilie Salzbergen übernahm die Bewirtung der zahlreich erschienenen Zuschauer.
Die Emssaga legt in Salzbergen an
Frau Bürgermeisterin Blinker und Gemeindedirektor Mäteling begrüßten die Besatzung unter dem Kapitän Dr. Carlo Osthues und dem Steuermann Herrn Eilinghoff. Dem Kapitän wurde mit den besten Wünschen von Rat und Verwaltung eine Urkunde überreicht. Den Mitgliedern der Mannschaft und die beteiligten Feuerwehrkameraden und die Heidemusikanten erhielten ein kleine Flasche Korn mit einem grimmigen Wikingeremblem. Mit einem besonderen Dank (es werde wohl nicht noch einmal so einen Empfang geben), so meinten der Kapitän und sein Steuermann, verabschiedete sich die emssaga am folgenden Mittwochvormittag aus Salzbergen.
Interview mit Presseoffizier Franjo Eilinghoff
„Wikinger-Offizier“ Franjo Eilinghoff über Sinn und Zweck dieses vielbeachteten Projektes, das die Männer aus dem Norden am kommenden Freitag, 14. August, in ihren Zielhafen nach Papenburg fuhren wird.
Ist Ihre Unternehmung mehr als eine Art maritimer Abenteuerurlaub in den Sommerferien?
„Ja, das Ziel dieser Aktion entspricht unserem Vereinsziel: Wir sind ein Verein zur Förderung der historischen Emsschiffahrt, und dies ist das dritte Projekt. Es soll uns natürlich einerseits Spaß machen, aber der Weg ist das Ziel. Selbst die 3.000 Arbeitsstunden, die wir in den Nachbau gesteckt haben, schweißen den Verein zusammen und machen uns schon Spaß. Der krönende Abschluß ist die Fahrt, auf die wir uns sehr gefreut haben. Wir hatten anfangs etwas Bedenken, ob das Unternehmen mit einem Schiff dieser Größenordnung überhaupt zustande zu bringen ist.“
Es gehl auch um die historische Dimension der Schiffahrt. Sind Sie da ganz auf die Wikinger festgelegt?
„Nein, keineswegs. Wir haben ja als erstes ein Floß gebaut. Dieses Floß hatte historische Bezüge – ebenso wie die nachfolgende Emspünte – alles Schiffe beziehungsweise Fahrzeuge, die wie das Wikingerschiff auf der Ems gefahren sind. Das nächste Projekt, was wir vielleicht für das Jahr 2004 vor Augen haben, ist eine römische Galeere. Auch die fuhren auf der Ems. Wir sind also keine ,Wikinger’, sondern wir sind Leute, die Spaß an dem Ruß und ihrer Heimat haben und das Geschichtsbewußtsein in der Bevölkerung wachrufen oder wachhalten wollen.“
Ihr Verein ist demnach eine Art populär ausgerichtete „Geschichtswerkstatt“, die in lockerer Art und Folge „praxisorientiert“ geschichtliches Wissen vermittelt. Was haben denn die Wikinger mit der Ems zu tun?
„Die Wikinger haben alle Flüsse, die sie von Nord- und Ostsee aufgrund der Breite und der Verhältnisse befahren konnten, angelaufen. So ist zum Beispiel urkundlich erwähnt, daß die Wikinger das emsländische Elbergen, ein Ort in der Nähe von Salzbergen, verwüstet haben. Es ist sicher, daß sie hier gewesen sind. Mitunter wird behauptet, daß die Wikinger die Urzelle der Stadt Rheine – den Falkenhof – abgebrannt haben. Aber das ist durch Geschichtsquellen nicht zu belegen. Damals wurde ja nicht viel aufgeschrieben. Wir sind aber keine Historiker, keine Wissenschaftler. Wir sehen in erster Linie den Spaß und die Information über die Medien.“
„Wikinger-Offizier“ Franjo Eilinghoff macht am Freitag. 14. August, in Papenburg fest. Foto: privat
Sie haben unlängst darauf verwiesen, daß die Wikinger nicht nur die wilden Totschläger waren, sondern sich auch als friedliche Kauf- und Handelsleute einen Namen machten. War das der eigentliche Grund für die weltweiten Wikinger-Expeditionen seitdem 9. Jahrhundert?
„In dieser Zeil ging es den Menschen […] mehr Kinder, was auch das Erbrecht zu einem wichtigen Faktor machte. Der älteste Sohn erbte, und die anderen mußten sich ,etwas suchen’. ,Suchen’ bedeutete in der damaligen Zeit Eroberung – und die Normannen nutzten ihre Schiffe. Sie haben die Welt unsicher, aber auch sicher gemacht. Sie waren nicht nur Kämpfer und Krieger sondern auch ein berühmtes Handelsvolk. ,Haitabu’ ist hierfür ein bekanntes Beispiel. Es gibt ja auch nicht nur die „Dakar“ Drachen- und Langboote. sondern auch „Snakar“ und andere Handelsboote.“
Seit 1993 beschäftigen Sie sich mit dem „Wikinger-Projekt“, seit dem vergangenen Jahr laufen die konkreten Planungen, im März wurde das Drachenboot auf Kiel gelegt. Wie eng haben Sie sich an die historisch überlieferten Originalboote gehalten?
„Was die Maße und das äußere Aussehen des Bootes anbelangt, haben wir uns an die Pläne gehalten, die wir aus Schleswig bekamen. Wir haben allerdings nicht – wie es ein befreundeter Verein dort tut – mit ursprünglichem Werkzeug und in historischer Technik gearbeitet. So wurde das Spalten der Holzbretter mittels Kreissäge vorgenommen und nicht mit dem Beitel. Wir sind Kompromisse eingegangen. Das Boot hat moderne Technik an Bord: Auf Verlangen der Wasserschutzpolizei wurden zwei kleine Motoren zum Manövrieren eingebaut. Es gibt eine kleine Kombüse und natürlich eine Toilette… Außerdem verfügt das Boot über einen ,Knickmast’ – die Wikinger hatten starre Mastbäume.“
Traditionelle Schiffahrt früher – moderner Schiffbau für den umweltfreundlichen Verkehrsträger Wasserstraße heute. Wollen Sie auch, daß aktuelle maritime Fragen mehr Aufmerksamkeit erfahren?
„Unbedingt. Zum Beispiel denke ich, daß es ein Nachteil ist, wenn Flüsse wie die Ems jetzt von Greven bis Rheine von dem Status Bundes- zur Landeswasserstraße herabgestuft werden und damit der Bevölkerung, den Menschen, die Gelegenheit genommen wird, den Fluß zu nutzen. Umweltschutz muß sein, aber wenn zum Beispiel Personenschiffahrt nicht mehr möglich ist, ist das bedauerlich.“
Ihr Zielhafen ist Papenburg. Warum gerade diese Emsstadt?
„Hier gibt es eine maritime Tradition, die wir schätzen. Wenn wir vor dem Forum Alte Werft festmachen, vor der Meyer Werft mit ihren imposanten Schiffen entlangfahren, zeigt das auch, was für kühne Männer die Wikinger mit ihren 18 Meter […]
Ruder-WM auf dem Fühlinger See
Prächtige Eröffnung mit Wikingerboot
Zur Eröffnung der Ruder-Weltmeisterschaft am Fühlinger See gab es eine besondere Zeremonie. Einses der Highlights der 30-minütigen Veranstaltung war unser Wikingerschiff, das feierlich zu Musik an den Tribünen mit etwa 4.000 Zuschauern vorbeifuhr. Denis Oswald, Präsident des Internationalen Ruderverbandes, gab den offiziellen Startschuss. Auch der Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger hob hervor, wie wichtig diese Weltmeisterschaft für die Region sei. Ergänzt wurde die Eröffnungsfeier von 52 Ruderbooten, die die teilnehmenden Nationen symbolisierten.